Alte Daten verursachen ein schlechtes Image

In einem Interview mit der Rheinischen Post äußert sich Norbert Bienen zur Stadtentwicklung in Mönchengladbach, zum Bürostandort und zu Versäumnissen beim Städte-Ranking.

Rheinische Post: Alte Daten verursachen ein schlechtes Image: Online
Rheinische Post: Alte Daten verursachen ein schlechtes Image: Online

Der Projektentwickler spricht über Versäumnisse und die Folgen bei Städte-Rankings. Es gibt Chancen, den Ruf zu verbessern, sagt er.

Mönchengladbach ist in vielen Bereichen im Aufbruch, trotzdem schneidet es in vielen Rankings immer noch schlecht ab. Woran liegt das?

Norbert Bienen: Diese Rankings bringen in der Tat eine fatale Außenwirkung mit sich. Das Problem ist: Die Daten, auf die bei diesen Rankings zurückgegriffen wird – sei es die Arbeitslosenquote, die Bevölkerungsentwicklung oder der Mietpreisspiegel – sind schlichtweg alt, von 2012 oder sogar noch älter. Die aktuellen, teilweise sehr positiven Entwicklungen in der Stadt finden noch gar keinen Niederschlag in diesen Rankings. Aber Investoren schauen sehr genau auf solche Ranglisten, speziell den Städtevergleich der „Wirtschaftswoche“. Deswegen müssen wir da dringend etwas tun. Wenn auswärtige Investoren, die wir in der Stadt für die Realisierung von Immobilienprojekten benötigen, per Mausklick nur alte Daten einsehen können, haben wir sofort verloren.

Was schlagen Sie vor – eine "Taskforce Außenwirkung"?

Etwas in der Art, ja. Wir müssen die Außenwirkung zu einem Hauptthema machen – an den Tisch gehören die EWMG, die WFMG, die MGMG und die Masterplaner sowie weitere Personen, für die dieses Thema relevant ist. Die EWMG kann schließlich nicht alles kaufen und selber bauen in dieser Stadt. Es wäre ideal, wenn der Oberbürgermeister dies zu seinem Thema machte – und ich bin sicher, er wird es auch tun.

Wie lässt sich der Standort denn konkret besser vermarkten?

Indem wir in einer schlüssigen und abgestimmten Vorgehensweise die positiven Entwicklungen nach draußen transportieren. Wir haben eine Bringschuld, aktuelle Daten zu liefern, damit wir in solchen Rankings mit anderen Städten mithalten können. Wir müssen darlegen, dass die Mieten für Büroflächen seit 2009 kontinuierlich steigen. Zurzeit liegt die Spitzenmiete für moderne Büroflächen in der City bei 12,50. Damit ist diese Entwicklung vor allem was die Kontinuität anbelangt um einiges positiver als in anderen vergleichbaren Städten. Damit lassen sich Projekte auch rentabel realisieren und Renditen darstellen, wie Investoren diese mit 6,0 bis 6,5 Prozent erwarten. Damit sind dann auch Büroprojekte mit anspruchsvoller Architektur und hohem technischen Standard realisierbar. Wir brauchen in dieser Stadt auch dringend ein größeres Angebot an frei finanzierten Mietwohnungen. Und deshalb auch für diesen Bereich einen aktuellen Mietspiegel.

Warum ist der so wichtig?

Der vorliegende Mietspiegel stammt allen Ernstes aus dem Jahr 2010. Schon diese Tatsache stellt ein Manko in Gesprächen mit potenziellen Investoren dar, da hieraus die falschen Schlüsse gezogen werden. Den zuständigen Stellen ist es – aus welchen Gründen auch immer – nicht gelungen, den Mietspiegel neu aufzulegen. Auch mit Unterstützung der Verwaltung konnte erzielt werden, dass jetzt endlich im Herbst ein neuer Mietspiegel veröffentlicht wird. Dieser soll mindestens alle zwei Jahre aktualisiert werden. Er sollte vor allem das gesamte Wohnungsangebot widerspiegeln, von der günstigen Altbau- bis zur teuren modernen Luxuswohnung.

Was erkennt ein Investor an einem Mietpreisspiegel?

Ein aktueller Mietspiegel bietet Investoren die Möglichkeit, die Entwicklung der Wohnungsmieten in unserer Stadt mit denjenigen in den gleich großen Städten zu vergleichen. Es gilt allerdings auch für den Mietspiegel einheitliche Kriterien festzulegen, damit die Vergleichbarkeit gegeben ist. Das ist bisher nicht der Fall. Die Relation zwischen der Steigerungen der Nettomieten und den Kaufpreissteigerungen für Eigentumswohnungen ist für Investoren ein wichtiger Indikator. Auch ein Mietspiegel, der die Mietsteigerungen der letzten Jahre nachhaltig widerspiegelt, hilft bei den Rankings besser abzuschneiden.

Es braucht also höhere Mieten in der Stadt, um den Standort zu stärken?

Wir benötigen mehr anspruchsvollen Mietwohnraum, damit wir Menschen, die nach Mönchengladbach ziehen wollen, adäquaten Wohnraum bieten können. Wenn jetzt beispielsweise neue Santander-Mitarbeiter in die Stadt kommen, können wir diese nur für Mönchengladbach als Wohnstandort gewinnen, wenn wir diese zeitgemäße Mietwohnungen anbieten können. So können wir auch eine Steigerung an Kaufkraft erzielen. In den letzten zehn bis 15 Jahren wurden in Mönchengladbach mehr öffentliche geförderte Wohnungen realisiert als frei finanzierte. Deshalb sind dringend Neubauvorhaben im frei finanzierten Wohnungsbau erforderlich. Wir müssen beide Enden des Marktes bedienen können. Die Entwicklung der Kaufkraft ist ein wichtiges Kriterium für das Abschneiden in den Städterankings.

Sprechen wir über Büro- und Gewerbeimmobilien. Der Nordpark, den Sie anfangs kritisch sahen, hat sich sehr gut entwickelt, die Flächen gehen zur Neige. Kann die City Ost sein Nachfolger werden? Und braucht es einen Eisbrecher, wie es das Stadion mal für den Nordpark war?

Ja. Ich gebe zu, zu Beginn den Nordpark als Bürostandort skeptisch gesehen und diesen eher für klassische gewerbliche Nutzungen eingeordnet zu haben. Den Neubau der Finanzverwaltung hätte ich auch lieber in der Innenstadt gesehen. Für den Nordpark war das Vorhaben für den ersten Aufschlag eines Büroprojektes entscheidend für die weitere Entwicklung. Durch die beiden Neubauten der Firma Jessen und den jetzt im Bau befindlichen Neubau von Santander hat sich der Standort endgültig als Bürostandort mit gutem, preiswerten Stellplatzangebot und optimaler Autobahnanbindung in Mönchengladbach etabliert. Einen solchen Ankermieter stelle ich mir auch für City Ost vor. Es gibt im Moment keinen Interessenten. Wir im Masterplan-Verein treiben die Rahmenbedingungen in enger Abstimmung mit Politik und Verwaltung voran, damit potenzielle Investoren gezielt angesprochen werden können.

Wie hat sich das Minto auf den Immobilienmarkt der City ausgewirkt?

Sehr positiv. Es gibt de facto einen Wettbewerb um die Objekte und faktisch keinen Leerstand. Wenn Lokale leerstehen, liegt das daran, dass Mieter, die ins Minto gezogen sind, ihre alten Flächen außerhalb noch immer angemietet haben. Es sind zum Teil auch taktisch bedingte Leerstände – Versuche, direkten Wettbewerbern so lange wie möglich den Platz zu blockieren.

Und wie sieht es bei Büros aus?

Es fehlen nach wie vor hochwertige Objekte, die in drei bis sechs Monaten bezugsfertig sind. Das ist die Norm, wenn es Anfragen von außerhalb gibt. Die Vermietungserfolge im Bereich Nordpark waren nur möglich, weil dort kurzfristig beziehbare Flächen in unterschiedlichen Größen gab, die zur Verfügung standen. Auch wenn mittlerweile wieder mehr spekulativ gebaut wird, wobei ich es lieber "auf Vorrat bauen" nenne. Innerhalb von drei Monaten nach Fertigstellung sind solche Flächen in der Regel vermietet.

Wie ist die Leerstandsquote?

Bulwien Gesa bestätigt uns eine Leerstandsquote von nur 5,5 Prozent. Das ist hart an der Grenze dessen, was ein funktionierender Büroflächenmarkt bei der Kurzfristigkeit der Nachfrage benötigt. Bei unter fünf Prozent, hat sich gezeigt, können wir die vielfältige und differenzierte Nachfrage zu oft nicht bedienen und verpassen damit auch die Chance weitere Unternehmen nach Mönchengladbach zu holen. Erstaunlich ist, dass eine so niedrige Leerstandsrate als Indikator einen Investor auch abschrecken kann, da man lieber an „funktionierenden Märkten“ investiert. Die Roermonder Höfe mit dem Angebot an bis zu 5000 Quadratmetern Bürofläche werden uns helfen, die Nachfrage in der City besser bedienen zu können. Der Investor van Pol beabsichtigt dieses Projekt auch ohne einen vorhandenen Ankermieter zu realisieren. Dieses Projekt ist auch als Referenzprojekt für die Gewinnung weiterer Investoren von großer Bedeutung.

Wie ist der Vergleich zu Düsseldorf?

Dort liegt die Leerstandquote im Bürosegment seit Jahren oberhalb von zehn Prozent. Wobei es sich hier überwiegend um veraltete und nicht mehr zeitgemäß gestaltete und ausgestattete Objekte handelt. Dort wird ein hohes Volumen an Neuvermietungen erzielt, die Nettoabsorption ist allerdings niedrig, da das Gros der Mieter aus Alt- in Neubauten wechselt. In Düsseldorf werden Büroprojekte überwiegend spekulativ, also auf Vorrat gebaut. Deshalb kann man auf die Anforderungen von Mietern auch schnell reagieren. Mönchengladbach hinkt diesem Trend noch ein wenig hinterher. Aber: Unsere Büromieten steigen kontinuierlich, unsere Renditen sind konstanter, in den Metropolen gibt es in Krisenzeiten die größeren Ausschläge. Auch das gehört zur Wahrheit.

Ein kurzer Blick nach Rheydt: War der Kauf der Karstadt-Immobilie durch die EWMG richtig?

Ja, aber ich sehe das als die große Ausnahme. Die EWMG sollte nur da aktiv werden, wo es für die Entwicklung der Stadt wichtig ist und wo private Entwickler und Investoren nicht zu gewinnen sind. Der Karstadt-Kauf geht in Ordnung, weil durch die Überlappungen mit den im gleichen Gebäudekomplex vorhandenen Verwaltungsflächen dies nahelegt und sich der Kauf trotz der erforderlichen Investitionen in die Bausubstanz rentabel darstellen lässt. Bei der heutigen günstigen Finanzierungsmöglichkeit und einer langen Laufzeit ist man sehr handlungsfähig. Es geht auch um die Perspektive für die Rheydter Innenstadt und um die Frage: Wo setzt man zukünftig die große Verwaltung hin? Beim Vitus-Center bin ich mir hingegen nicht ganz so sicher, ob das hätte sein müssen.

Wird der Masterplan bei innenstädtischen Planungen eigentlich ausreichend berücksichtigt?

Wir haben der Stadt Mönchengladbach diesen Masterplan – anders als dies in Köln geschehen ist – nicht als Geschenk übergeben. Sondern mit dem konkreten Versprechen von Verwaltung und Politik, den Plan bei der weiteren städtebaulichen Entwicklung als Leitlinie zu sehen. Er ist eine Vorgabe für die nächsten 20 bis 30 Jahre. Jetzt kommt es darauf an, erste Projekte Schritt für Schritt anzupacken. Diese sind angestoßen und finden im Masterplanbeirat die notwendige Unterstützung. Es war und ist auch das Ziel mit dem Masterplan Investoren für die Stadt zu gewinnen. Das Vorliegen einer städtebaulichen Leitlinie ist leider bisher noch nicht als Kriterium bei der Erstellung der Rankings herangezogen worden.

Die Hochschule findet in manchen Rankings auch nicht statt. Warum?

Das ist bedauerlich und nicht nachvollziehbar. Aber es ist ein Versäumnis, das so nicht sein dürfte, denn in mehreren Fachbereichen ist die Hochschule bundesweit an der Spitze, zum Teil sogar unangefochten. Auch an dieser Stelle müssen wir angreifen, dann mache ich mir um den Investment-Standort Mönchengladbach keine Sorgen. Wir müssen unser PS auf die Straße bringen und nachhaltig an unserem Ruf arbeiten.

JAN SCHNETTLER, DIETER WEBER UND KILIAN TRESS FÜHRTEN DAS INTERVIEW

Quelle: Rheinische Post, 27. Juli 2015.